Laut der aktuellen Studie von McKinsey „Bayern 2025 – Alte Stärke, neuer Mut“ ist Bayern schlechter für die Zukunft aufgestellt, als es Politik und andere Beteiligte oftmals gerne darstellen.
Erst einmal ist dieses Ergebnis wenig überraschend, schließlich kommen Studien mit durchgehend positiven Ergebnissen schlecht an und erzeugen nur geringes Medienecho. Diese Studie mit scheinbar alarmierenden Erkenntnissen führt allerdings innerhalb weniger Studien zu zahlreichen Artikeln bei Spiegel, Süddeutsche und anderen deutschen Leitmedien – dankbarere Pressearbeit für McKinsey ist also schwer vorstellbar.
Doch auch inhaltlich ist das Ergebnis für uns wenig überraschend. Was will man erwarten, wenn die Bayerische Staatsregierung erst 2015 das Thema Digitalisierung für sich entdeckt? Gleichzeitig wird dann voller Stolz das Zentrum Digitalisierung.Bayern gegründet. Wenig überraschend lässt sich unsere Wirtschaftsministerin Ilse Aigner immer häufiger mit Startups ablichten, die sich mit Digitalisierung beschäftigen.
Ergebnisse der McKinsey-Studie zu Innovation in Bayern
Wir möchten nur exemplarisch auf den Themenkomplex Innovation dieser Studie eingehen. Unter Innovation versteht McKinsey „das Hervorbringen global relevanter Erfindungen und neuer Denkansätze“ zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit. Innovation wird anhand der Startup-Quote, der Bildungsqualität und der Patentrate gemessen.
- Startup-Quote: Bayern liegt mit 3,8 Unternehmensgründungen pro 1000 Einwohnern abgeschlagen hinter Berlin (6,0), Hamburg (5,8) und Hessen (5,6). International und auch in Bezug auf Wagniskapital wird Bayern nicht als Startup-Zentrum wahrgenommen.
- Bildungsqualität: Noch ist Bayerns Bildung auf einem guten Niveau, doch eine Führungsrolle ist nicht erkennbar. Darüber hinaus landet Bayern bei Schulabbrecherquoten und Abiturientenquoten von Ausländern deutschlandweit auf den hinteren Plätzen.
- Patentrate: Die Patentrate in Bayern ist mit 1,1 Innovationen pro 1000 Einwohnern, die als Patent angemeldet werden, ein deutschlandweiter und internationaler Spitzenwert.
Innovation ist deshalb so wichtig, weil globale Entwicklungen an Fahrt gewinnen. Sieben globale Strukturbrüche führen laut McKinsey zu besonders radikalen Veränderungen, denen auch Bayern in Zukunft begegnen muss:
- Ende der Arbeit (wie wir sie kennen)
- Die volatile Welt
- Endliche Ressourcen (Budgets)
- Disruptive Technologien
- Tod der Skalen
- Entgrenzte Welt
- Renaissance des Staates
Im letzten Teil der Studie leitet McKinsey unterschiedliche Handlungsfelder aus den dargestellten Ergebnissen ab. Diese wollen wir nur in Auszügen aufführen:
- Digitale Bildungsrevolution
- Weltoffenheit und Wertestabilität
- Industrieübergreifende Innovationsarbeit
- Belebung der bayerischen Identität
- Dezentrale partizipative Organisation
Insgesamt bringen diese Handlungsfelder sehr unterschiedliche Potenziale für ländliche Regionen, regionale Zentren oder die Region München mit sich.
Ein Startup schaut auf Bayern
Hier muss zumindest angemerkt werden, dass eine Reduktion der Komplexität des Themas „Innovation“ auf drei Indikatoren unserer Meinung nach absolut unangemessen ist. Außerdem ist es fraglich, ob die reine Anzahl an Startups das Hauptkriterium ist, oder ob nicht genauso qualitative Aspekte berücksichtigt werden sollten, beispielsweise die Überlebensfähigkeit von Startups über mehr als 5 Jahre.
Für uns ist die Studie „Bayern 2025 – Alte Stärke, neuer Mut“ von McKinsey dennoch sehr spannend, schließlich beschäftigen wir uns bei HRinstruments intensiv mit zukünftigen Arbeitswelten. Viele der genannten globalen Strukturbrüche und der abgeleiteten Handlungsfelder würden wir so unterschreiben und spüren wir bereits am eigenen Leib und möchten diese anhand einiger Beispiele untermauern.
- Ende der Arbeit wie wir sie kennen: Wir leben bereits jetzt eine flexible und partizipative Unternehmenskultur, die nicht von Präsenzkultur und Hierarchien geprägt ist. Bei uns steht Spaß an der Arbeit verbunden mit einer dynamischen Ergebnisorientierung im Mittelpunkt. Jeder unserer Mitarbeiter kann entscheiden, wo und wie er arbeiten muss, sofern er für die anderen Kollegen erreichbar ist und sofern es die Aufgaben erlauben. Das Argument, dass diese Form der Arbeit nur bei kleinen Unternehmen funktioniert, ist unserer Auffassung nach lediglich eine Ausrede. Doch echte Flexibilität und echte Partizipation erfordern neue Strukturen der Arbeit, neue Räume der Arbeit, neue Regeln der Arbeit und neue Werte der Arbeit. Wenn berufliche Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern daran festgemacht wird, wer als letzter im Büro das Licht ausmacht und auch nach Feierabend und am Wochenende schnell auf E-Mails reagiert, dann ist das keine neue Arbeit. Wann macht es überhaupt Sinn im Büro zu arbeiten? Wollen wir zwischen Feierabend und Arbeitszeit trennen oder wollen wir integrative Konzepte entwickeln? Das sind spannende Fragen, die in Bezug auf das Ende der Arbeit wie wir sie kennen beantwortet werden müssen.
- Disruptive Technologien: Mobiles Internet, Automatisierung der Wissensarbeit und Cloud-Technologien werden neben anderen Technologien als potenziell disruptiv dargestellt. Diese Technologien werden in Zukunft also noch mehr unsere Arbeit und unser Leben prägen. Genau deshalb arbeiten wir an automatisierten cloudbasierten Feedbacktechnologien, die auch vollständig mobil genutzt werden können. Doch Entscheider in deutschen Unternehmen werden immer älter. Demnach ist es wenig überraschend, dass uns viele ältere Gründungsberater und andere Akteure im Startup-Kosmos teilweise mit Skepsis begegnen: Weil sich Cloud-Technologien im Umfeld Human Resources doch erst noch beweisen müssen. Weil diesbezüglich gar kein ernstzunehmender Markt vorhanden ist. Weil Datenschutz insbesondere im Personalumfeld in Deutschland ein großes Thema ist – und so weiter. Für diese Akteure überraschend arbeiten wir unter Einhaltung höchster Datenschutzsstandards (z.B. mit der Garantie „100 Prozent hosted in Germany“) sehr erfolgreich für unsere Kunden, vom mittelständischen Unternehmen bis zum Großkonzern. Ist das nicht exemplarisch für eine stimmige Integration innovativer Technologien, damit Deutschland nicht von dynamischen Ländern wie China abgehängt wird?
- Digitale Bildungsrevolution: Wir spüren sehr deutlich, dass unterschiedliche Generationen unterschiedliche Erwartungen haben – Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel. Die 60-jährige Führungskraft möchte gerne einen ausgedruckten Ergebnisbericht für ihr 360°-Feedback. Die 30-jährige Nachwuchsführungskraft möchte gerne mobil auf ihrem Tablet interaktiv den Ergebnisbericht des Feedbacks für Führungskräfte durcharbeiten. Die 18-jährige Auszubildende möchte innerhalb weniger Sekunden ohne lange Texte die zentralen Ergebnisse ihrer Abschlussbeurteilung durch Vorgesetzte und Kollegen einsehen. Spannend wird es hier insbesondere deshalb, weil die Entscheiderpositionen in vielen Fällen natürlich noch von älteren Generationen besetzt sind. Dazu kommt die Herausforderung, dass ältere Generationen oftmals genau dann umfassende Veränderungen fordern und propagieren, wenn sie selbst nicht mehr direkt betroffen sind – wie beispielsweise in der letzten Zeit der ehemalige Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger. Es ist immer leicht, Veränderungen zu fordern, wenn man selbst nicht mehr im Spiel ist.
- Weltoffenheit und Wertestabilität: Insbesondere der Aspekt der Weltoffenheit wird unserer Erfahrung nach sehr schnell und sehr stark an Bedeutung gewinnen. Als junges Unternehmen profitieren wir nicht wie BMW, Siemens und MAN von über Jahrzehnte aufgebauten Arbeitgebermarken. Dennoch konkurrieren wir bei der Suche nach neuen Mitarbeitern mit genau diesen Unternehmen, d.h. eine Positionierung ist zwingende Voraussetzung für die Besetzung offener Stellen. Und diese Positionierung muss eine Kombination aus bayerischer Bodenständigkeit und internationaler Weltoffenheit transportieren. Warum ist das so wichtig? Wir erhalten bereits jetzt auf Stellenausschreibungen durchschnittlich 80 Prozent ausländische Bewerber. Wir haben bereits jetzt vielfältige Nationalitäten in unserem Team – von Bayern über Brasilianer bis hin zu Indern und Syrern.
Abschließende Gedanken eines bayerischen Startups
Gerne möchten wir mit einigen Gedanken eines bayerischen Startups abschließen, das seit Januar 2015 im Herzen von Bayern – also in München – tätig ist. Was würden wir uns aufbauend auf den Studienergebnissen von McKinsey und aufbauend auf unseren eigenen Erfahrungen wünschen?
- Echte Beratung: Die Unternehmensgründung unserer Startups wurde dadurch erleichtert, dass unser Geschäftsführer Dr. Simon Werther als ehemals jüngster Unternehmer Bayerns bereits 12 Jahre lang sehr erfolgreich seine eigene Internetagentur gegründet und geführt hat. Darüber hinaus war er bereits mehrere Jahre Geschäftsführer eines Trainingsinstituts. Umso überraschter waren wir, wie viele unvollständige oder fehlerhafte Antworten wir von unterschiedlichsten Beratungsstellen im Münchner Raum für Existenzgründer erhalten haben. Darüber hinaus ist es fraglich, ob nicht gerade in Beratungsstellen Personen sitzen sollten, die bereits über eigene Gründungserfahrungen und über unternehmerische Kompetenzen verfügen. Wenn jemand direkt nach dem Studienabschluss seit 20 Jahren bei der IHK angestellt ist oder seit 15 Jahren bei der Stadt München arbeitet, dann wagen wir aufgrund eigener Erfahrungen zu bezweifeln, dass der- oder diejenige die Bedürfnisse, Ängste und Wünsche von uns als Startup richtig verstehen wird.
- Konkrete Unterstützung: Zumindest in München kann die Gründung eines Startups bereits an einfachen Dingen scheitern, beispielsweise den teuren Mieten, unflexiblen gewerblichen Mietverträgen und den hohen Ansprüchen potenzieller Mitarbeiter durch die Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Im Münchner Technologiezentrum konnten wir zumindest die Raumfrage für uns sehr gut lösen – vielen Dank an das engagierte MTZ-Team an dieser Stelle. Allerdings sind die räumlichen Angebote für Startups in München sehr überschaubar, insbesondere dafür, dass laut Wirtschaftsministerium und Stadt München umfangreiche Unterstützung für Unternehmensgründer vorhanden ist. Genauso verhält es sich bei der Unterstützung bei der Rekrutierung kompetenter Mitarbeiter, die lediglich von gewinnorientierten Firmen angeboten wird. Das Start-up Speed Dating des Strascheg Center for Entrepreneurship der Hochschule München nächste Woche in München ist hier eine dankbare Ausnahme – wir sind sehr gespannt, wie das Format von potenziellen Mitarbeitern angenommen wird.
- Ernsthafte Vernetzungsformate: Gerade Vernetzung und Kooperationen sind für Startups entscheidend für einen schnellen und erfolgreichen Markteintritt. Die meisten Angebote in diese Richtung entpuppen sich allerdings eher als Geldmacherei oder als Selbstdarstellungsplattform von Politik und Sponsoren und weniger als zielführendes Vernetzungsformat. Hier könnten Politik und Beratungsstellen auch mit geringen Mitteln sehr viel bewegen – die Initiative „StartUp meets Handel“ der IHK München und Oberbayern klingt hier bereits vielsprechend. Auf Bundesebene klingt die Initiative „Mittelstand von heute plus Startups = Mittelstand von morgen“ des Bundesverbands Deutsche Startups sehr spannend.
Es gibt zweifellos viel zu tun, um bestehende Startups und potenzielle Gründer in München und in ganz Bayern zu unterstützen. Letztlich geht es also um professionelles Change Management für ganz Bayern – wir sind gespannt, wie dieses Projekt gelingt und wir stehen der Politik selbstverständlich jederzeit gerne als Berater und Unterstützer zur Verfügung.
Gleichzeitig sind wir davon überzeugt, dass Politik und andere Akteure zwar günstige Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote aufbauen können, doch der Impuls und die Initiative liegt in erster Linie bei den potenziellen Gründern. Hier sind wir in Bayern und in ganz Deutschland in Bezug auf unsere Fehlerkulter, den Umgang mit Scheitern und dem Bedürfnis nach Sicherheit vollkommen anders sozialisiert als beispielsweise die USA. Das wird anhand der Unsicherheitsvermeidung der Deutschen in der GLOBE-Studie eindrucksvoll belegt.
Wir glauben an Laptop und Lederhosen 2.0! Wir glauben an Startups in Bayern! Und wir freuen uns darauf, dass wir diese Zukunft gemeinsam gestalten werden.